Endlich abstinent – mein Leben ohne Sucht
Am 24. Februar 2022 begann mein zweites Leben. An diesem Tag habe ich mich entschieden: Ich kickte den Alkohol und die Sucht aus meinem Leben. Mittlerweile bin ich seit über zwei Jahren glücklich abstinent. Ich bin unterwegs auf einer Reise mit vielen Überraschungen. Manches, vor dem ich mich gefürchtet habe, war gar nicht so schrecklich und überwältigend, wie erwartet – und anderes, über das ich gar nicht groß nachgedacht hatte, baute sich plötzlich recht bedrohlich vor mir auf …
Alles begann mit der Entscheidung, ohne Alkohol zu leben – und die fiel am Tiefpunkt meines bisherigen Lebens (Alkohol – mein Leben mit der Sucht).
Ein Entschluss, ein Anruf, ein wochenlanger Kampf … Und ich hatte mich von der Sucht befreit! Ich hatte die Entziehung und die Reha absolviert.
Und dann war ich wieder zu Hause, wo ich das Erlernte umsetzen wollte. Das hieß vor allem: eine riesige Veränderung bewältigen, mein Leben komplett umkrempeln. Denn nichts war mehr wie vorher. Ich ordnete alles neu: Gewohnheiten, Wohnungseinrichtung, Freundeskreis – nichts blieb beim Alten! Ich verkleinerte meinen Bekanntenkreis auf ein Minimum. Ich entsorgte alles, das irgendwas mit Alkohol zu tun hatte: Flaschenöffner, Weingläser, Sektkühler – alles, was mich auch nur ein bisschen an Alkohol erinnerte, warf ich in einem richtigen Ritual weg.
Meinen Tagesablauf und Lebensstil passte ich an das an, was ich in der Reha gelernt hatte. Regelmäßiger Sport und gesundes Essen gehörten jetzt dazu, ich plante meine Pausen, gab meinem Tag Struktur. Mich selbst komplett neu zu erfinden, das machte riesigen Spaß, war aber auch oft herausfordernd. Aufs Gewohnte zu verzichten, bevor ich neue Gewohnheiten sicher aufgebaut hatte, das fühlte sich manchmal ganz schön beängstigend an.
Was auch herausfordernd war: Nach Jahren, in denen mein Leben nur um den Alkohol gekreist war, hatte ich ein bestimmtes Bild vom abstinenten Leben! Ich war sicher, dass es ohne Alkohol sehr langweilig wird. Dass der Spaß fehlt, dass das Lachen fehlt – ja, dass ich selbst fehle, denn mich gab es ja nur mit Alkohol. Ich hatte Angst, dass nun alles nur noch todernst ist.
Aber dem ist nicht so. Mein Leben ist sogar lustiger, spannender und aufregender als vorher, denn der Spaß, den ich früher vermeintlich hatte, war oft unecht und gespielt. Die Dinge, die ich damals lustig fand, fand ich nur lustig, weil ich sturzbesoffen war. Jetzt ist der Spaß anders geworden: verspielter, schlauer – einfach mehr ich! Ernst ist das Leben schon oft, aber nur, weil ich eine Verantwortung übernommen habe. Die Verantwortung, mir ein neues, geiles Leben zu bauen. Klar ist das anstrengend, aber es macht Spaß!

Körperlich hat mein neues Leben viele Vorteile. Ich fühle mich fit und ausgeschlafen, bin nicht mehr verkatert, mein Körper funktioniert so, wie ich will. Psychisch ist es teilweise herausfordernd: Nüchtern sehe ich Probleme nun klar vor mir. Doch teilweise ist das sogar gut, weil sich mitunter dabei herausstellt, dass manche Probleme gar nicht so schlimm sind wie gedacht. Ich sehe jetzt, dass der Alkohol meine Probleme früher oft größer und dramatischer gemacht hatte, als sie eigentlich waren. Ich will meine Probleme im Nachhinein nicht herunterspielen, sicher waren auch schwierige Themen dabei, aber der Alkohol machte mich zu einer ängstlichen Dramaqueen in der Rolle ihres Lebens, nämlich der Opferrolle.
Ohne Alkohol bin ich gelassener und frei. Auch, weil ich mein Leben unter Kontrolle habe, alles bewusst erleben kann. Ich muss nicht mehr heimlich vorausplanen, wo ich unterwegs schnell etwas trinken kann, oder wie ich heimlich trinken kann, ohne dass es mein Freund merkt. Ich habe keine Wut-, Eifersuchts- und sonstigen Anfälle mehr, bin klar. Ich kann wieder alles machen. Ich schaffe und erledige Dinge, habe Erfolgserlebnisse, erreiche meine Ziele. Mein Selbstbewusstsein ist gestiegen und ich mag mich wieder. Ich habe mich kennengelernt, habe verstanden, wie ich wirklich bin. Früher habe ich mich gehasst! Jetzt finde ich mich richtig gut.
Überraschend einfach ist es für mich auch meistens, abstinent zu bleiben. Ich habe diese Entscheidung getroffen, und das ist für mich so klar, dass ich eben einfach nicht mehr trinke. Auch wenn ich Suchtdruck habe und meine Gedanken beim Alkohol sind, kommt es für mich nicht in Frage, wieder anzufangen. Ich habe den Alkohol aus meinem Leben gestrichen. Wie jemand, der eine Allergie auf etwas entwickelt hat und den Auslöser aus seinem Leben verbannt hat.
Das Einzige, was mich wieder etwas ins Wanken gebracht hat, war der erneute Haarausfall: Vor meinem Entzug hatte ich ja unter kreisrundem Haarausfall gelitten – und in den vier Monaten der Reha waren meine Haare komplett neu nachgewachsen. Sie waren fast kinnlang und wunderschön. Ich fühlte mich unglaublich gut! Und dann begann der Haarausfall von neuem, das war so deprimierend! Aber selbst dabei habe ich mich wieder auf die Beine gestellt: Nein, ich trinke nicht mehr!

Herausgefordert hat mich auch das Weggehen. Abends in Restaurants, Bars, Veranstaltungen. Ich wusste nicht, wie das geht. Wie geht man ohne Alkohol essen oder einfach auch aus? Wie funktioniert das? Schließlich habe ich jedoch verstanden, um was es bei diesen Abenden wirklich geht: Neuerdings nicht mehr um den Alkohol, sondern darum, eine schöne Zeit zu verbringen. Aber es hat eine Weile gedauert, zu dieser neuen Einstellung zu finden. Früher in meinem Suchtleben bin ich erstmal zum Vorglühen in eine Bar, dann gab es den Aperitif im eigentlichen Restaurant, dann gute Weine zum Essen, später einen Digestif … und schließlich versumpfte ich in einer Bar … Und das war ja nun alles weg! Ich bin in meinem neuen Leben anfangs nur noch schnell zum Essen gegangen – rein ins Restaurant, bestellen, essen, und ab nach Hause –, weil ich nicht wusste, wie es anders gehen kann. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich das erste Mal nach der Reha mit meinem Freund in Italien war, wo ich früher immer das ganze Programm durchgezogen hatte: Vorglühen, Trinken beim Essen, Versumpfen. Und plötzlich war ich wieder in meinem italienischen Lieblingsort und konnte das alles nicht mehr machen! Denn was tue ich denn in einer Bar, wenn ich nichts trinke? Bekomme ich da überhaupt einen Tisch? Schmeißen die mich da vielleicht gleich wieder raus? Werde ich überhaupt bedient? Und Italien ohne Wein im Restaurant – was soll das? Also hieß es jetzt: Pizza inhalieren und heim! Und dann kam die Wiesn in München, und da wars das gleiche Spiel: kein Bierzelt, keine Party, nix! Nur kurz in einen Biergarten auf der Wiesn gesetzt, in die hinterste Ecke, schnell die Brotzeit verschlungen, ein Wasser dazu – und dann heim!
Mich hat das so geärgert und frustriert! Die Vorstellung, nie mehr schöne, gechillte Abende verbringen zu können, hat mich so traurig und wütend gemacht, dass ich gesagt hab: Stopp! So geht das nicht! Ich will diese selbstgezimmerten Einschränkungen nicht mehr!
Ich habe das neue Ausgehen trainiert, Schritt für Schritt habe ich es ausprobiert (Nüchtern durch die Nacht – mein Angebot für dich). Mein Freund hat mich unglaublich darin unterstützt. Er kannte sich gut mit alkoholfreien Cocktails aus, hat sie bestellt oder mich beraten. Er hat mir in allem zugehört, mich ernst genommen und verstanden. Nie drängte er mich, länger zu bleiben, nie hat er mich in Situationen gebracht, die ich nicht mochte.
Durch meine Therapien wurde ich immer stärker, habe mich immer mehr akzeptiert, so dass ich den Alkohol einfach zu gar nichts mehr gebraucht habe. Und ein Jahr später im Urlaub saß ich wieder in meiner Lieblingsbar am Gardasee, mit einem alkoholfreien Cocktail bei leckeren Vorspeisen – und habe mich so unendlich befreit gefühlt!
Du schaffst das auch! Und wenn du magst, kann ich dich dabei ein Stück weit begleiten. Denn in meinem Coachingangebot gibt es auch die Möglichkeit, gemeinsam das nüchterne Ausgehen auszuprobieren und zu trainieren.